Bürgerstiftung für verfolgte Künste
Else Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider
Im Zentrum für verfolgte Künste berichten Bilder, Bücher, Zeitschriften, Dokumente und Fotos über kaum bekannte Geschichten von Flucht, Vertreibung, Verfolgung – aber auch davon, wie Kunst Hoffnung geben kann. In der Dauerausstellung der Kunst- und Literatursammlung des Museums, der Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider und im Archiv können auf über 700 qm 10.000 Objekte entdeckt werden.
1990: Gründung der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft
1990 gründete der WDR-Journalist Hajo Jahn die ElseLasker-Schüler-Gesellschaft in Wuppertal, der Geburtsstadt der Malerpoetin Else Lasker-Schüler. In Berlin war sie berühmt geworden und musste von dort vor den Nationalsozialisten flüchten. Weil Hajo Jahn ihre Biografie als Verbindungzwischen all den verfolgten Kunstgenres sah, engagierte er sich für eine zeitgemäße Erinnerungskultur und ein alle Kunstgattungen berücksichtigendes Zentrum für verfolgte Künste.
1992–1994: Aufruf zur Gründung eines Zentrums für verfolgte Künste
Vor dem Hintergrund der rassistischen Ausschreitungen gegen Geflüchtete und Minderheiten im wiedervereinten Deutschland initiierten Hajo Jahn und Jürgen Serke eine bundesweite Aktion der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft am 9. November 1992: Eine Nacht in Deutschland, eine Reaktion auf die Brandanschläge, bei der Autor:innen in Asylbewerberheimen lasen – „gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Antisemitismus“: in Rostock, Moelln, Cottbus, Hünxe, Magdeburg, Schwerin, Dresden und Solingen. 1994 rief die Else-Lasker-Schüler Gesellschaft Wuppertal e.V. zusammen mit dem Exil-PEN zur Gründung eines Zentrums für verfolgte Künste auf.
1994: Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter/Künstler
Am 12. September 1994 stellte die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft im Düsseldorfer Landtag die unselbständige Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter/Künstler - für ein Zentrum der verfolgten Künste vor. Dort wurde ein Aufruf mit Unterschriften von 50 Autor:innen vorgelegt, darunter Günter Grass, Siegfried Lenz, Johannes Mario Simmel, Tankred Dorst und die aus der DDR stammenden Schriftstelle:innen Sarah Kirsch, Reiner Kunze, Jürgen Fuchs, Wolf Biermann sowie Herta Müller und die Israelis Yehuda Amichai, Jakob Hessing und Tuvia Rübner. Die Unterschrift des weltweit bekanntesten verfolgten Dichters Salman Rushdie stand für die Aktualität des Themas: Schriftsteller:innen, Journalistinnen und Künstler:innen wurden und werden in Diktaturen verfolgt, zensiert, eingesperrt, getötet.
1997: Sammlung Dr. Gerhard Schneider
1997 stieß Rolf Jessewitsch, Direktor des Solinger Museum Baden (später Kunstmuseum Solingen) bei Recherchen auf eine Privatsammlung mit über 3000 Bildern zur figurativen Kunst im deutschsprachigen Raum vom Aufbruch in die Moderne um 1910 bis ins vorletzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Die Sammlung von Dr. Gerhard Schneider hatte dabei vor allem Werke von ungewürdigten figurativ arbeitenden Künstlern und Künstlerinnen in den Blick genommen, die aufgrund politischer Gegebenheiten und ideologischen Vorgaben größtenteils in Vergessenheit geraten waren. Diese Verwerfungen in der deutschen Kunstgeschichte begannen bereits mit dem Ersten Weltkrieg, setzten sich am gravierendsten durch die Machenschaften des Nationalsozialismus mit seiner Vorstellung einer „entarteten Kunst“ fort und wirkten sich auch nach 1945 auf ein ideologisch gelenktes Kunstverständnis im geteilten Deutschland aus. Zur Jahrtausendwende entstand auf dieser Sammlungsbasis eine erste Ausstellung mit dem Katalog „Verfemt – Vergessen – Wiederentdeckt“.
2003: Fördergesellschaft Museum für verfemte Kunst e.V.
2003 gründete der Sammler Dr. Gerhard Schneider in Absprache mit dem Direktor des damaligen Museum Baden Dr. Rolf Jessewitsch die Fördergesellschaft Museum für verfemte Kunst e. V.. Am 5. Februar 2004 gründeten die EheleuteFervers zusammen mit Thomas Busch und den Eheleuten Schneider die Bürgerstiftung für verfolgte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider in Solingen. Das Barkapital leisteten Thomas Busch und die Eheleute Fervers. Die Stadt Solingen kam über die Kunstmuseum Solingen Betriebsgesellschaft als Stiftungspartei hinzu. Sie überließ das Obergeschoss des Museums und später einen Teil des Erdgeschosses des ehemaligen Gräfrather Rathauses auf Dauer den Präsentationen der Stiftung. Die erste Ausstellung wurde am 12. Dezember 2004 eröffnet.
Hier entdeckt man Künstler:innen wieder, an die man sich in Deutschland lange Zeit kaum noch erinnerte. Nach dem Terror des NS-Regimes und dem Zweiten Weltkrieg war die jüngere Generation der Moderne der Weimarer Republik, die etwa zwischen 1890 und 1910 Geborenen, überwiegend in Vergessenheit geraten. Der Sammler Gerhard Schneider ist dieser vergessenen Moderne nachgegangen und hat Kunstwerke und Lebensschicksale wieder ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Die ab 1999 zur Sammlung erschienenen Kataloge stellen eine Fülle bislang verschollener Kunstwerke vor.
2007: Literatursammlung Jürgen Serke
2007 erwarb die Stiftung der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft die Literatursammlung des Journalisten und Autoren Jürgen Serke. Sie besteht aus über 2.500 Objekten: Bücher, Dokumente, handschriftliche Briefe, Typoskripte und Fotos. Im Solinger Museum wurde 2008 und dementsprechend jetzt im Zentrum für verfolgte Künste diese Literatursammlung unter dem Titel Himmel und Hölle zwischen 1918 und 1989. Die verbrannten Dichter in einer Dauerausstellung sowie wechselnden Sonderausstellungen präsentiert. Bereits 2008 schrieben die Zeitungen deutschlandweit: Mit der vorhandenen Kunstsammlung und der Literatursammlung ist Solingen ein Zentrum der verfolgten Künste.
2014 und 2015 : Fusion der Sammlung Gerhard Schneider mit der Else Lasker-Schüler-Stiftung und Gründung des Zentrums
2014 fusioniert die Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider und der 1994 gegründeten Else Lasker-Schüler-Stiftung für verbrannte und verbannte Dichter / Künstler:innen für ein Zentrum der verfolgten Künste. Sie brachte die Sammlung Jürgen Serkes, dem Autoren des Buchs Die verbrannten Dichter, in die Stiftung ein. Am 8. Dezember 2015 wird das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen offiziell eröffnet. Lange Verhandlungen zwischen den beiden Gesellschaftern, dem Landschaftsverband Rheinland und der Stadt Solingen waren der Gründung vorausgegangen. Prominente Gäste waren anwesend, der Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann, Ulrike Lubek, die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland, Prof. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung, Milena Karabaic, die Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes und der Oberbürgermeister der Stadt Solingen, Tim Kurzbach.
2017: Ausweitung der Sammlung
2017 konnte durch Mittel des Deutschen Bundestages die Bürgerstiftung um ein Konvolut aus der Sammlung Gerhard Schneider und um den Nachlass des Künstlers Oscar Zügel maßgeblich erweitert werden. Schenkungen, wie fast 70 Werke des Malers Leo Breuer aus der Zeit zwischen 1939 und 1946, bereichern die Sammlung der Bürgerstiftung kontinuierlich.